Einseitig Der StuRa der Uni verabschiedet eine antisemitisch durchsetzte Stellungnahme zum Gaza-Krieg.

»Stellungnahme zum Krieg in Israel und Palästina«: Was nüchtern überschrieben ist, entpuppt sich als Politikum. Am Dienstagabend verabschiedete das Plenum des Student*innen-Rats (StuRa) der Leipziger Universität ein Papier mit eindeutiger Schlagseite. Darin werden Hamas-Terror verharmlost, Israel dämonisiert und autoritäre kommunistische Gruppen unterstützt.

»Keine Zusammenarbeit mit Unterstützer*innen des Terrorismus« hieß ein Antrag, über den ursprünglich im StuRa-Plenum abgestimmt werden sollte. Eingebracht hatte ihn der StuRa-Referent für Hochschulpolitik Paul Steinbrecher zusammen mit dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Der StuRa solle sich gegen jede Unterstützung von Gruppen und Personen aussprechen, die Terrororganisationen wie die Hamas »unterstützen, ihre Mittel rechtfertigen oder verharmlosen« oder diese Gruppen etwa durch Weiterleiten von Inhalten unterstützen.

»Mit großer Sorge beobachten wir, dass solche Positionen in selbstorganisierte linke Projekte und Gruppen auf dem Campus eindringen«, begründet Referent Steinbrecher im Gespräch mit dem kreuzer den Antrag. So wären entsprechende »autoritäre, intrinsisch antisemitische« Gruppen bei den Kritischen Einführungswochen aufgetreten, einem linken Bildungsangebot zum Semesterstart.

Am Freitag vor zwei Wochen wurde am Seminargebäude auf dem Campus ein Transparent mit dem Slogan »Free Palestine« aufgehängt; begleitet von »From the river to the sea«-Rufen. Das ist der unverhohlene Aufruf, Israel – und damit seine Bevölkerung – von der Landkarte zu tilgen. Das ist ein bekannter antisemitischer Slogan.

Hintergrund ist ein schwelender Konflikt, der seit einiger Zeit in Leipzig zu beobachten ist und auch die studentische Selbstverwaltung betrifft. In der überwiegend undogmatisch und emanzipatorisch geprägten linken Szene tauchen hierarchisch orientierte, autoritäre kommunistische Gruppen auf, die besonders durch ihre kruden antiimperialistischen Weltdeutungen auffallen.

Dazu zählten unter anderem Handala, Zora Leipzig, Young Struggle Leipzig und Kommunistischer Aufbau. Handala etwa veröffentlichte am Tag des Hamas-Angriffs auf Israel via Instagram einen inzwischen gelöschten Post, der eine Grafik mit einem Gleitschirm zeigte, wie ihn ein Teil der Terroristen verwendete – und nahm auf besagten »From the river to the sea«-Slogan Bezug. Diese Gruppen würden, so werfen es ihnen andere linke Akteure vor, in Strukturen und Freiräume drängen und dort ihre Agenda setzen. Das ist im StuRa nun gelungen.

Per Eilantrag kam die »Stellungnahme zum Krieg in Israel und Palästina« auf die Tagesordnung, unter anderem unterstützt von erwähnter Gruppe Handala, aber auch vom Antirassismus-Referat oder der Beauftragungsstelle Antifaschismus des StuRas. Dieser und Steinbrechers Antrag wurden offenbar zugleich diskutiert. Steinbrecher, der selbst im Plenum verhindert war, sagt dazu:

»Wie ich von Anwesenden hörte, herrschte große Unklarheit, wie man mit den beiden Anträgen umgehen sollte. Sie wurden wohl parallel diskutiert.« Es war erst das zweite Plenum der Legislaturperiode, ein Teil der Mitglieder also neu und vielleicht überfordert. Zudem, so war von verschiedenen Seiten zu hören, haben betreffende Gruppen ins öffentliche Plenum mobilisiert, um dort Rededominanz zu sichern.

Details werden erst dem noch nicht verabschiedeten Protokoll zu entnehmen sein. Jedenfalls wurde nur über den Eilantrag abgestimmt und dieser laut Steinbrecher mit »großer Mehrheit« angenommen. Der StuRa hat damit eine hoch problematische, antisemitisch durchsetzte Stellungnahme verabschiedet, und das auf einseitiger Grundlage.

Denn bei genauer Lektüre beinhaltet das vorgeblich neutral formulierte Positionspapier schwer verdauliche Formulierungen und Feststellungen. So wird über das Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels kein Wort verloren. Die Hamas-Terroristen werden als »Kämpfer« verharmlost, nur die zivilen Opfer der »Attacken« verurteilt. In einem Land mit allgemeiner Wehrpflicht und verpflichtendem Reservistendienst wird bereits vielen Hamas-Opfern der Zivilistenstatus abgesprochen, dafür gibt es auch im StuRa-Papier das Einfallstor.

Zudem bettet dieses den Terrorakt vom 7. Oktober allgemein in den Kontext des Nah-Ost-Konflikt und lässt ihn als Teil eines Befreiungskampfes erscheinen. Dadurch wird dessen einziges Ziel – Juden und Jüdinnen zu töten – relativiert. Begründet wird die Stellungnahme unter anderem mit einseitigen Behauptungen. So wird alleinig Israel für die Versorgungslage in Gaza verantwortlich gemacht, das Zweckentfremden von Wasserleitungen durch die Hamas etwa ausgelassen. Bisher nicht verifizierte Hamas-Behauptungen wie ein Angriff auf ein Krankenhaus mit 500 Toten werden als belegt herangeführt.

Der Beschluss ist für die Referentinnen bindend, denn das Plenum ist das basisdemokratische Beschlussorgan des StuRa. Warum sie den Eilantrag unterstützt, wollte Antirassismus-Referentin Shafia Limprecht auf kreuzer-Anfrage nicht mitteilen. Aus dem Referat für Öffentlichkeitsarbeit kam die Antwort, »dass die Abstimmung und Beschlusslage in einem demokratischen Prozess innerhalb des StuRa-Plenums entsteht. Daher ist die Bewertung von Formulierungen und Beschlussinhalt unsererseits einseitig und nicht in unserem Aufgabenbereich.«

Zudem teilte die StuRa-Geschäftsführung auf Nachfrage mit, dass nur zwei der angesprochenen Gruppen als studentische AGs Unterstützung erfahren würden. Da der Antrag von Einzelpersonen eingereicht worden sei, habe der StuRa »wenig Einfluss darauf, welche Positionen behandelt werden«.

Wie das Plenum solche Positionen aber diskutiert, darauf haben alle seine Mitglieder Einfluss und für den abgestimmten Inhalt Verantwortung. Der StuRa ist offensichtlich nicht in der Lage, sich deutlich und klar von Antisemitismus abzugrenzen.